Als Muslime und Unternehmer stehen wir oft vor einem Dilemma:
Wir fühlen uns häufig unwohl dabei, mit anderen Muslimen zu konkurrieren.
Aus einer weltlichen, kommerziellen Perspektive ist das Ziel des Wettbewerbs klar:
Zu gewinnen!
Der Preis?
Ein größerer Marktanteil und mehr Umsatz für den Sieger.
Doch was passiert, wenn unsere Mitbewerber Brüder und Schwestern sind?
Besonders im gemeinnützigen Sektor gibt es dann nicht selten spürbare Spannungen.
In diesem Beitrag gehe ich anhand von Qur’an und Sunnah genauer darauf ein, wie der Islam den Wettbewerb sieht – und wie wir als Muslime damit umgehen sollten.
Erlaubt der Islam den wirtschaftlichen Wettbewerb?
Der Prophet ﷺ sagte:
„Meidet Misstrauen, denn Misstrauen ist die schlimmste Lüge im Gespräch und seid nicht neugierig aufeinander und spioniert euch nicht aus und beneidet einander nicht und hegt keinen Groll und keine Feindseligkeit gegeneinander. Und seid Brüder und Diener Allahs.“
(Sahih Muslim 2563a)
„Konkurrieren“ im Arabischen kann dieselbe Bedeutung haben wie „Neid empfinden“ und offensichtlich verbietet dieser Hadith genau das.
Da wir das nur ungefähr übersetzen können, könnten wir akzeptieren, dass dieser Hadith nicht direkt über das Konkurrieren spricht.
Was ist aber mit diesem Vers aus dem Quran:
ٱعْلَمُوٓا۟ أَنَّمَا ٱلْحَيَوٰةُ ٱلدُّنْيَا لَعِبٌۭ وَلَهْوٌۭ وَزِينَةٌۭ وَتَفَاخُرٌۢ بَيْنَكُمْ وَتَكَاثُرٌۭ فِى ٱلْأَمْوَٰلِ وَٱلْأَوْلَـٰدِ ۖ كَمَثَلِ غَيْثٍ أَعْجَبَ ٱلْكُفَّارَ نَبَاتُهُۥ ثُمَّ يَهِيجُ فَتَرَىٰهُ مُصْفَرًّۭا ثُمَّ يَكُونُ حُطَـٰمًۭا ۖ وَفِى ٱلْـَٔاخِرَةِ عَذَابٌۭ شَدِيدٌۭ وَمَغْفِرَةٌۭ مِّنَ ٱللَّهِ وَرِضْوَٰنٌۭ ۚ وَمَا ٱلْحَيَوٰةُ ٱلدُّنْيَآ إِلَّا مَتَـٰعُ ٱلْغُرُورِ
Wisset, dass das diesseitige Leben nur Spiel, Zeitvertreib, Schmuck und Prahlerei untereinander sowie Wetteifern um mehr Besitz und Kinder ist. Es ist wie Regen, dessen Pflanzenwuchs den Bauern erfreut. Dann vertrocknet er und du siehst ihn vergehen, danach wird er zu Spreu. Und im Jenseits gibt es entweder schwere Strafe oder Vergebung und Wohlgefallen Allahs. Das diesseitige Leben ist nur ein trügerischer Genuss.
[Al-Hadid – 57:20]
Die übergeordnete Botschaft hier ist:
Ein Muslim soll nicht an dieser Art von Wettbewerb teilnehmen und jeder der es tut, verschwendet im besten Fall seine Zeit und führt im schlimmsten Fall ein Leben, das zur Bestrafung führt.
Beachte dennoch:
Das Streben und Wetteifern ist an sich nicht verboten.
Es ist die falsche Ausrichtung des Strebens – als Selbstzweck –, die kritisiert wird.
Ja, der Islam kritisiert bestimmte Arten von Wettbewerb oder neidischem Verhalten sehr stark, aber das ist kein allgemeines Verbot für jede Art des Konkurrierens.
Tatsächlich stellt die Schariah klar, dass das islamische Wirtschaftssystem von Angebot und Nachfrage geprägt ist:
Die Preise stiegen zur Zeit des Gesandten Allahs ﷺ, und sie sagten: „O Gesandter Allahs, die Preise sind gestiegen, setze die Preise für uns fest.“
Er sagte: „Wahrlich, Allah ﷻ ist es, der die Preise festsetzt, der die Mittel verknappen oder erweitern kann, der Versorger.
Und ich hoffe, dass ich meinen Herrn treffe und keiner von euch wird von mir Rechenschaft für ein Unrecht verlangen, das mit Blut oder Besitz zu tun hat.“
(Sunan Ibn Majah 2200)
Der Prophet ﷺ weigerte sich nicht nur, die Preise festzulegen, sondern er erklärte den Handel, der zur Bestimmung von Preisen führt, zu einer Handlung die Allahs Willen obliegt.
Allah ﷻ leitet die Märkte und setzt Preise durch den Dialog von Angebot und Nachfrage, der von den Händlern vermittelt wird.
Und zu versuchen, Preise auf andere Weise festzulegen, würde zu Ungerechtigkeit führen, wie das Ende des Hadiths andeutet.
Die Festsetzung von Preisen durch eine einzelne Person ist einfach keine angemessene Option angesichts der unfassbaren Komplexität einer Wirtschaft und deren Lieferketten.
Händler und offener Wettbewerb auf dem Markt sind wichtige Werkzeuge, mit denen wir unsere Bedürfnisse und Ansichten in aktuelle Marktpreise umsetzen.
Dieser Punkt wird auch in einem weiteren Vers im Qur’an deutlich:
يَـٰٓأَيُّهَا ٱلَّذِينَ ءَامَنُوا۟ لَا تَأْكُلُوٓا۟ أَمْوَٰلَكُم بَيْنَكُم بِٱلْبَـٰطِلِ إِلَّآ أَن تَكُونَ تِجَـٰرَةً عَن تَرَاضٍۢ مِّنكُمْ ۚ وَلَا تَقْتُلُوٓا۟ أَنفُسَكُمْ ۚ إِنَّ ٱللَّهَ كَانَ بِكُمْ رَحِيمًۭا
O die ihr glaubt, verschlingt nicht untereinander euer Vermögen auf nichtige Weise, sondern treibt Handel in gegenseitigem Einvernehmen. Und tötet euch nicht (gegenseitig) oder euch selbst. Wahrlich, Allah ist barmherzig mit euch.
[An-Nisa – 4:29]
Der Handel durch gegenseitiges Einvernehmen (d.h. dynamische Preisfindung zwischen den Parteien) wird im Qu’ran ausdrücklich gefördert.
Wie sieht es bei verschiedenen Arten von Transaktionen aus?
Gut – wir wissen jetzt, dass einige Arten von Wettbewerb erlaubt sind – aber wir haben uns noch nicht wirklich mit den wirklich heiklen Arten von Wettbewerb beschäftigt.
Lass es mich anders ausdrücken:
Bisher habe ich dir aufgezeigt, dass der Islam freien Handel, Kauf und Verkauf fördert und Menschen dazu motiviert einen gerechten und fairen Austausch zu führen, bei dem jeder als Gewinner hervorgeht.
Jetzt stell dir aber mal vor, du bist Obsthändler und stehst auf einem Platz, wo du einer von vielen Marktständen bist, die Früchte verkaufen.
Wenn jetzt ein Käufer kommt, wird er nur zu einem von euch gehen.
Das heißt: Alle anderen Verkäufer gehen dabei leer aus.
In diesem Szenario konkurrieren die Verkäufer miteinander, um ein ähnliches oder identisches Gut zu verkaufen.
Was sagt der Islam zu dieser intensiveren Art von Wettbewerb?
Der Wettbewerb, den der Islam fördert
Im Islam geht es nicht darum, im Wettbewerb andere zu übertreffen, sondern darum im Guten zu wetteifern.
Allah ﷻ ermutigt uns, in edlen Taten und auf dem Weg zu Seiner Zufriedenheit zu konkurrieren.
Wie Er im Quran sagt:
فَٱسْتَبِقُوا۟ ٱلْخَيْرَٰتِ ۚ أَيْنَ مَا تَكُونُوا۟ يَأْتِ بِكُمُ ٱللَّهُ جَمِيعًا ۚ إِنَّ ٱللَّهَ عَلَىٰ كُلِّ شَىْءٍۢ قَدِيرٌۭ
So wetteifert miteinander im Guten. Wo immer ihr seid, Allah wird euch alle zusammenführen (zur Abrechnung). Gewiss, Allah hat Macht über alle Dinge.
[Al-Baqara – 2:148]
Das Konkurrieren im Geschäft ist oft ein Nullsummenspiel.
Entweder verliert jemand komplett oder erreicht nur den zweiten Platz.
Doch die Art zu konkurrieren, zu der Allah ﷻ uns ermutigt, bezieht sich auf Dinge, bei denen das Ziel gut und wertvoll ist.
Dieses „Ziel“ muss lohnenswert und produktiv für die Gesellschaft sein.
Im Kontext des Qur’an ist das Ziel die ultimative Belohnung:
Jannah, das Paradies!
Doch das Konzept taucht auch in einem geläufigen Kontext in den Hadithen auf:
Der Prophet ﷺ sagte:
„Wettbewerbe mit Preisen sind nur im Kamelrennen, Pferderennen und Bogenschießen erlaubt.“
(At-Tirmidhi 1700)
Die Gelehrten erklärten, dass der Prophet ﷺ diese Aktivitäten spezifizierte, weil sie im Krieg eingesetzt werden und daher einen breiteren Zweck und Nutzen für die Gesellschaft haben als nur den Wettbewerb selbst.
Die Lebensgeschichte des Propheten ﷺ ist voller Beispiele, in denen die Sahaba im Guten miteinander wetteiferten.
Der Islam fördert nicht das konkurrieren um weltlichen Gewinn, sondern um gute Taten.
Indem wir im Guten wetteifern, streben wir nach dem Wohlgefallen Allahs ﷻ und einer besseren Belohnung im Jenseits.
Das ist die Art von Wettbewerb, die unser Glaube uns ans Herz legt.